Traunreut: Künftig kein verkaufsoffener Sonntag mehr am Totensonntag

Figur an einem Grab auf dem Friedhof in Hannover-Stˆcken am 06.10.2010.

Es ist als Kirchengemeinde unsere Aufgabe, uns zu öffentlichen Themen zu äußern, die unser Sachgebiet betreffen – auch dann, wenn es unbequem ist und zunächst vielleicht Irritationen auslöst. Der Kirchenvorstand, das demokratisch gewählte Leitungsgremium der Paulusgemeinde, zu der über 4.000 evangelische Christen in Traunreut gehören, hat sich entschieden, einen Klärungsprozess darüber anzustoßen, ob ein verkaufsoffener Sonntag an einem gesetzlich besonders geschützten Stillen Tag wie dem Totensonntag notwendig und sinnvoll ist. Dieser Anfrage haben sich auch die Vertreter des Katholischen Pfarrverbandes und der Rumänisch-Orthodoxen Gemeinde angeschlossen.

Am Totensonntag wird in allen evangelischen Gemeinden in gut besuchten Gottesdiensten der Verstorbenen gedacht. Alle betroffenen Angehörigen werden dazu persönlich eingeladen. Im Gottesdienst werden die Namen der Verstorbenen verlesen und jeweils eine Kerze angezündet. Viele besuchen anschließend die Gräber ihrer Familie. Trauernde erleben an diesem Tag ihren Schmerz, aber auch den seelsorgerlichen Zuspruch und das Getragensein in der Gemeinschaft der Gläubigen besonders intensiv.

Der Totensonntag bietet eine Möglichkeit zum Innehalten, zum Trauern und Gedenken. Der ernste und würdevolle Charakter dieses vom bayerischen Feiertagsgesetz besonders geschützten Stillen Tages ist aus unserer Sicht nicht mit geschäftigem Treiben, erhöhtem Verkehrsaufkommen und einer Entbindung von der christlich gebotenen Sonntagsruhe vereinbar.

Viele Menschen beklagen, dass sich das Hamsterrad, in dem wir leben, seit Jahren immer schneller dreht. Sonn- und Feiertage sind heute ein weit kostbareres Gut als noch vor 20 Jahren. Wenn Sonntagsarbeit sogar als Standort- und Überlebensfaktor angesehen wird, dann läuft grundsätzlich etwas falsch. Das ist eine Frage, die das Leben aller Bürger betrifft.

Jesus erzählt einmal von einem reichen Kornbauern (Lukas 12,16-20), der sich in Erwartung einer guten Ernte eine größere Scheune bauen will, um seinen Lebensunterhalt für die kommenden Jahre zu sichern. Aber Gott sagt zu ihm: „Du Narr! Noch in dieser Nacht wirst du sterben. Wer bekommt dann deinen ganzen Reichtum, den du angehäuft hast?“ Gerade angesichts unseres Reichtums und Gewinnstrebens müssen wir uns fragen: Was ist am Ende unseres Lebens wertvoller: Das Geld, das wir verdient haben, oder die freie Zeit, die uns für Familie und andere wichtige Dinge zur Verfügung stand? Das Wesentliche im Leben ist nicht Kaufen und Verkaufen. Daran werden wir am Totensonntag erinnert.

Es mag sein, dass durch einen verkaufsoffenen Sonntag zwar niemand vom Kirchgang abgehalten wird. Wenn aber ausgerechnet Stille Tage, die dem kollektiven Gedenken, der Einkehr und der Besinnung dienen, für wirtschaftliche Zwecke geopfert werden, dann befördert dies den fortschreitenden Verfall verbindender Werte. Gedenk- und Feiertage gehören zu den Symbolen, durch die sich eine Gesellschaft (nicht der Einzelne) darstellt. Werden sie preisgegeben, wird ihr Gemeinschaft stiftender Charakter zerstört, der gerade in einer pluralen Gesellschaft von großer Bedeutung ist. Der entstandene Sinnverlust kann nicht durch künstlich erzeugte Events ersetzt werden.

Der Vorschlag, man könne die Bevölkerung an solchen Tagen mit den Füßen abstimmen lassen, kommt einer Infragestellung der staatlichen Schutzgarantie von Sonn- und Feiertagen gleich. Die Sonntagsgarantie ist ein hohes verfassungsrechtliches Gut. Sie schützt Ehe und Familie, die Religionsfreiheit, die Vereinigungsfreiheit und andere Grundrechte. Verkaufsoffene Sonntage im Einzelhandel sind laut Bundesverfassungsgericht nur ausnahmsweise mit einem außerordentlichen öffentlichen Interesse, nicht aber mit kommerziellen Interessen begründbar. Der Gesetzgeber hat daher enge rechtliche Grenzen für die sonntägliche Öffnung von Verkaufsstellen festgelegt.

Durch unsere Einwände wollen wir zusammen mit unseren katholischen und orthodoxen Mitchristen zu einem langfristigen Umdenken Mut machen und sind überzeugt, dass die einstimmige Entscheidung des Stadtrates, dass es ab 2015 keinen verkaufsoffenen Sonntag mehr am Totensonntag gibt, dem sinnerfüllten Zusammenleben der Menschen und dem Wohl der Stadt dient.
 

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