Vorüberlegungen zum Leitbild unserer Gemeinde

Foto: "Low Point Lighthouse" by Dennis Jarvis (CC BY-SA 2.0)
Foto: „Low Point Lighthouse“ by Dennis Jarvis (CC BY-SA 2.0)

Unsere Gemeinde ist lebendig und verändert sich. Es ist Zeit, diese Veränderungen in den Blick zu nehmen und neue Wege zu gehen. Deshalb hat der Kirchenvorstand beschlossen, ein Leitbild zu erstellen. Damit hat ein spannender Weg des Aufbruchs begonnen.

Wirft man an einem normalen Sonntag Morgen einen Blick in die Pauluskirche, könnte man meinen, zu unserer Gemeinde gehören überwiegend Senioren. In Wirklichkeit sind wir eine Gemeinde mit fast gleichmäßiger Altersstruktur, wie die Zahlen (2013) belegen.

Altersstruktur der Paulusgemeinde (Stand Ende 2013):

Jünger als 20 Jahre: 773 Personen
21- 40-Jährige: 1.212 Personen
41- 60-Jährige: 1.171 Personen
Älter als 60 Jahre: 1.363 Personen

Die Gottesdienste und Aktivitäten unserer Kirchengemeinde erreichen aber nur einen winzigen Bruchteil unserer Mitglieder. Die Zeit ist an vielen Gruppen und Kreisen unserer Gemeinde nicht spurlos vorüber gegangen. Es gibt sehr viele Angebote für Senioren, aber wo bleiben die Jungen? Menschlich gesprochen steht manchen Teilen unseres bisherigen Gemeindelebens in den kommenden Jahren der „Ruhestand“ bevor, während sich die Welt um uns herum immer schneller verändert.

Die Zeiten sind vorbei, in denen Menschen aus Gewohnheit und Tradition am Leben der Gemeinde teilnehmen. Der Berufs- und Familienalltag ist anstrengender geworden und die Freizeitangebote vielfältiger als früher. Die Grundlagen und die Bedeutung des christlichen Glaubens sind den Menschen in zunehmendem Maße nicht mehr vertraut. Wie können wir die Grundlagen des christlichen Glaubens auf zeitgemäße Art und Weise neu vermitteln?

Dazu gehört auch, dass unsere Gemeinde kleiner wird. Weniger aufgrund von Austritten, vor allem aber durch den demographischen Wandel sind wir in den vergangenen 10 Jahren um 700 Mitglieder geschrumpft. Wir werden diesen Trend nicht aufhalten, werden aber in Zukunft unseren Blick mehr nach außen richten.

Unsere Gebäude sind deutlich sichtbar in die Jahre gekommen. Manche unserer Räume entsprechen längst nicht mehr den Anforderungen an ein einladendes öffentliches Gebäude. Deshalb müssen wir mit unseren Finanzen künftig anders haushalten als dies noch vor 10 Jahren möglich war, um die Bausubstanz zu erhalten und wieder zeitgemäße Räume zu gestalten.

Die Kirchengemeindeordnung beschreibt unsere Aufgabe wie folgt:

„Der Wirkungskreis der Kirchengemeinde ist bestimmt durch den Auftrag, den die Gemeinde Jesu Christi von ihrem Herrn erhalten hat. Die Kirchengemeinde hat dementsprechend die Aufgabe (…) für den Aufbau und die Gestaltung des Gemeindelebens zu sorgen (…) und dazu beizutragen, dass die missionarischen Möglichkeiten in dieser Welt wahrgenommen werden.“

Der Auftrag Jesu nach Mt 28,18-20 (Neue Genfer Übersetzung) lautet:

Christus spricht: „Mir ist alle Macht im Himmel und auf der Erde gegeben. Darum geht zu allen Völkern und macht die Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und seid gewiss: Ich bin jeden Tag bei euch, bis zum Ende der Welt.“

Gemeinde ist also nicht zum Selbstzweck da. Wir sind da, um Männern und Frauen, Jungen und Alten, Kindern und Jugendlichen, Kirchgängern, Zweiflern und Suchenden, Alleinstehenden und Familien die Botschaft von der Liebe Gottes in ihrer Sprache nahe zu bringen und sie zu einer persönlichen Beziehung mit Jesus Christus einzuladen. Der frühere Landesbischof Dr. Johannes Friedrich beschrieb vor der Landessynode die Umsetzung dieser Aufgabe einmal so:

„Mission heißt wörtlich übersetzt: „Geschickt sein“, und genau so will ich Mission im doppelten Wortsinn verstehen. Wir sind als Christinnen und Christen geschickt in die Welt, um Menschen geschickt für den christlichen Glauben zu gewinnen. Nicht, um uns selbst zu bereichern, sondern um den Menschen die Botschaft von der Liebe Gottes nahe zu bringen. (…) Ich bin davon überzeugt, dass wir noch sehr viel mehr Menschen eine geistliche Heimat bieten könnten. Die Menschen warten auf unser Lebenszeugnis. Sie warten darauf, zu erfahren, warum wir uns in der Kirche heimisch fühlen und was Jesus Christus für uns im Alltag bedeuten kann. Sie warten auf Vorbilder, die nachahmenswert erscheinen.“

Dabei geht es in erster Linie nicht darum, durch Aktionen und neue Formen Begeisterung für die Kirche, Gemeinde oder ihre Akteure zu wecken. Es geht dabei vielmehr darum, Menschen durch das Evangelium mit Gott selbst in Kontakt zu bringen.

Im Zentrum unseres Auftrags steht deshalb, Menschen durch eine verständliche Verkündigung des Evangeliums einzuladen und sie zu begleiten, eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus aufzubauen, damit sie in Zeit und Ewigkeit die rettende Gnade Gottes erfahren. In dem Maße, wie dies tatsächlich geschieht, wird sich unsere Gemeinde von selbst verändern und neue Wege gehen und Kräfte freisetzen, um anderen die beste Nachricht der Welt in ihrer Sprache weiterzusagen.

Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen.
Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht (Habakuk 2,4): »Der Gerechte wird aus Glauben leben.«
(Römer 1, 16f.)

Damit haben wir einen große Aufgabe, sind aber dennoch nicht überfordert, denn:

  • Der auferstandene Jesus gibt diesen Auftrag (Mt. 28, 18-20). Er hat verheißen, auch bei uns zu sein.
  • Von Jesus geht alle Macht aus, nicht von uns. Wir sind keine geborenen „Macher“, sondern können unseren Auftrag nur erfüllen, indem wir das Handeln Gottes erwarten und den Mut haben, im Vertrauen auf sein Wirken Neues auszuprobieren. Frucht können wir nicht aus uns selbst bringen, wie Jesus im Bildwort vom Weinstock und den Reben (Joh. 15,5)sagt. Gott schenkt uns diese Verbindung durch die Gabe des Heiligen Geistes, der uns befähigt, das Evangelium in die Welt zu tragen und somit Frucht zu bringen (Apg. 1,8).
  • Gott selbst baut seine Gemeinde und bewegt Menschen zum Glauben, wir können nur Werkzeuge sein und Möglichkeiten schaffen, dass Gott an unserer Gemeinde wirken kann.
  • Eine nachhaltige und echte Erneuerung unserer Gemeinde kann nur durch eine geistliche Erneuerung geschehen: Wir stellen uns Gott neu zur Verfügung und lassen ihn an uns und anderen Menschen wirken. Nicht Konzepte und Programme, sondern Gott selbst steht im Mittelpunkt.

Die Kirche, die Jesus Christus selbst baut, wird sich nachhaltig entwickeln und Bestand haben. Christus spricht:

„Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.“ (Matthäus 16,18)

In diesem Sinne verstehen wir auch die Impulse, die die Landessynode 2013 in ihrer Handreichung “Grundlagen und Orientierungen kirchlichen Lebens” verabschiedet hat.

Unsere ersten Schritte machen uns Mut

Im Kirchenvorstand haben wir die ersten Weichen für eine nachhaltige, auftragsorientierte Weiterentwicklung unserer Gemeinde gestellt. Ein erfolgreicher Schritt ist die mehrmalige Durchführung unseres Alphakurses. Er bietet Insidern, aber auch glaubens- und kirchenfernen Menschen eine gute Möglichkeit, sich ungezwungen und in geselliger Atmosphäre mit den Grundlagen des Glaubens zu beschäftigen und ihre (auch kritischen!) Glaubens- und Lebensfragen zu stellen.

Der nächste Schritt war und ist die Gründung von Hauskreisen, in denen Menschen die im Alphakurs entstandenen Beziehungen weiter pflegen, sich über den Alltag austauschen, gemeinsam Bibel lesen und füreinander beten können. So finden Menschen Halt und Anschluss, Gemeinschaft und Glaube können persönlich und alltagsnah gelebt werden.

Da unsere traditionellen Sonntagsgottesdienste fast ausschließlich ältere Menschen ansprechen, das Evangelium aber allen Menschen gilt, bieten wir moderne Gottesdienstformen an. Neben der „Go(o)d Evening“ – Andacht, die als meditative, besinnliche Gottesdienstform einmal im Monat am Samstag Abend stattfindet, gibt es einmal im Monat am Sonntag Morgen den Gottesdienst PLUS, der vom Stil und Inhalt her eher für das jüngere Drittel unserer Gemeinde, Konfirmanden und Familien mit Kindern zugeschnitten ist. Damit Familien stressfrei mitfeiern können, bieten wir während der Predigt Krabbel- und Kindergottesdienst an. Die neue Form wird von der Zielgruppe, aber auch von den Älteren gut angenommen, die sich daran freuen, dass wieder zunehmend jüngere Gemeindeglieder in den Gottesdienst kommen.

Im Gottesdienst PLUS werden moderne Medien eingesetzt (z.B. Beamer, Filmclips, Popmusik). Die Atmosphäre ist fröhlich und locker, es darf gelacht werden, die Themen sind lebensnah, durch eine klare geistliche Mitte bestimmt und werden manchmal durch spektakuläre Aktionen veranschaulicht, die man in einer Kirche nicht vermuten würde. Akteure sind nicht nur die Pfarrer, sondern auch junge Gemeindeglieder, die aktiv an der Gestaltung mitwirken.

Einen Teil der musikalischen Gestaltung des Gottesdienst PLUS übernimmt neben der Orgel unsere neu gegründete, generationsübergreifende Gemeindeband. Nach dem Gottesdienst sind alle auf eine Limo oder Tasse Kaffee eingeladen, weil wir als „Familie Gottes“ ein Bedürfnis nach Austausch und Gemeinschaft haben.

Die bisherigen Überlegungen und Erfahrungen führen uns knapp zusammengefasst in zwei Richtungen: Näher zu Gott und näher zu den Menschen. Wir machen die entlastende Erfahrung: Gott selbst wirkt auch heute an uns und durch uns. In unseren Veranstaltungen geht es nicht mehr nur um Religion (ritualisierte Formen), sondern um Beziehung zwischen Mensch und Gott (was möchte mir Gott heute für mein Leben sagen). Wir erleben in unserer Gemeinde, dass durch Gottes Handeln auch unsere zwischenmenschlichen Beziehungen in der Gemeinde eine neue Dimension und Qualität bekommen (Epheser 2,17-21).

Wohin geht die Reise?

Damit wir unsere Kräfte gebündelt einsetzen können, hat der Kirchenvorstand einen Ausschuss damit beauftragt, ein knappes, aussagekräftiges Leitbild zu entwickeln: Ein positives Bild von der Zukunft unserer Kirchengemeinde, das in wenigen Sätzen zusammenfasst, wofür wir stehen und wo wir in nächster Zeit Schwerpunkte setzen werden.

Ein wichtiger Schritt dabei war Ende Februar 2015 das Seminarwochenende zum Thema „Vitale Gemeinde gestalten“ – ein von der Landeskirche unterstütztes Konzept, das unsere bisherigen Schritte gut wiedergibt und das uns geholfen hat, eine klare und umsetzbare Perspektive für die Zukunft unserer Gemeinde zu entwickeln. Zu diesem Wochenende waren der Kirchenvorstand und alle interessierten Gemeindeglieder eingeladen.

Auf der Gemeindeversammlung im März 2015 hat der Kirchenvorstand die Gemeinde über die aktuellen Entwicklungen informiert und zur Diskussion eingeladen.

Ergebnis unserer Überlegungen: Das Gemeinde-Leitbild
Das Leitbild, das von der Gemeindeversammlung 2016 beschlossen wurde, finden Sie neben weiteren Informationen zum Leitbildprozess auf dieser Seite.

Links zum Weiterlesen:

Selbstverständnis der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern

Was ist Lutherisch?

Das Evangelium unter die Leute bringen
-zum missionarischen Dienst der Kirche in unserem Land (EKD-Texte 68, 2001)

Vitale Gemeinde entwickeln